Weiteres Wall-Graben-System in Kalkriese lässt auf Varus schließen

Im Museumspark Kalkriese wurde im Sommer 2016 ein Wall mit nördlich vorgelagertem Graben und spät-augusteischen Artefakten entdeckt. Grabungsleiter Marc Rappe berichtete am 13.11.2016 im Park und Museum Kalkriese in einer Rückschau zur Grabungssaison 2016.

Der freigelegte Teil des Wallabschnitts verläuft in Ost-West-Richtung und damit parallel zum bereits bekannten Wall am Oberesch, der sich gut 100 Meter weiter südlich befindet. Sollte sich dieser Ost-West-Verlauf durch weitere Grabungsschnitte bestätigen, so würde dies auf ein römisches Marschlager mit ungefähr vier bis acht Hektar Fläche hindeuten. Der (südliche) Wall am Oberesch wäre dann nicht, wie bisher angenommen, Teil eines germanischen Hinterhaltes, sondern der Wall eines Römerlagers. Dies hat 2011 bereits Wolfgang Schlüter postuliert.1)

Die Funde (auch Waffenteile, u.a. Geschossbolzen von Artillerie) sind spät-augusteisch und deuten darauf hin, das am Wall gekämpft wurde. Wenn es sich tatsächlich um ein Römerlager handelt, dann spricht sehr viel dafür, dass es im Jahr 9 n. Chr. als Zuflucht für 3.000-4.000 Legionäre des Varus-Heeres  gedient hat. Da die drei Varus-Legionen ursprünglich ein Vielfaches an Soldaten umfassten, dürfte das Geschehen einer späten Phase der mehrtägigen Varus-Schlacht zuzuordnen sein.

Weitere Klärungen werden von Grabungen erwartet, die für 2017 geplant sind.

________________

1) Wolfgang Schlüter: War der Oberesch in Kalkriese der Standort des letzten Varuslagers? In: Osnabrücker Mitteilungen, Bd. 116, 2011, S. 9-32

„immensum bellum“ auf Wikipedia

immensum-bellum-4-5-uz
Imensum bellum: Feldzüge des Tiberius

Der von Velleius Paterculus beschriebene immensum bellum („gewaltiger Krieg“, Vell. 2,104,2) hat nun auf Wikipedia einen eigenen Artikel.

Der immensum bellum bezeichnet eine bewaffnete Erhebung germanischer Stämme gegen römische Einflussnahme und Machtausübung östlich des Rheins. Der Aufstand brach im Jahr 1 n. Chr. aus und endete mit der erneuten Unterwerfung der Stämme in den Jahren 4 und 5 n. Chr. durch den designierten römischen Thronfolger Tiberius.

Der Wikipedia-Artikel enthält auch eine recht ausführliche Literaturübersicht.

Olgerdiget: Grenzwall zwischen Angeln und Warnen?

Der Olgerdiget (olger, vgl. altengl. ealgian, Verteidigung, Schutz; diget, Graben, Wall) ist ein mindestens 12 Kilometer langes Sperrwerk zwischen den Städten Tinglev und Apenrade im Südosten des heutigen Dänemark. Der Olgerdiget fungierte nach neuesten Untersuchungen (ETHELBERG 2014) unter anderem als Grenzwall zwischen den germanischen Stämmen der Angeln und Waren. Die erste Bauphase datiert laut ETHELBERG auf die Jahre 22 bis 31 n.Chr., wobei das Jahr 31 das wahrscheinlichste ist.

Der Olgerdiget bestand zunächst aus einer Palisade, ab ca. 50 n.Chr. kamen weitere Palisadenreihen, überdies ein Graben und ein Wall hinzu. Das Sperrwerk kontrollierte drei wichtige, seit vorgeschichtlicher Zeit nachweisbare Wege. Überdies diente es der Verteidigung der südlich lebenden Angeln gegen die nördlichen Warnen (Varinii bei Tacitus, Germania, 40.1). Die Angeln waren von Süden vorgerückt und sollten die Warnen im 2. Jahrhundert verdrängen.

Der Olgerdiget könnte Teil einer größeren Grenz- und Verteidiungslinie sein, die die komplette Halbinsel etwas nördlich der heutigen deutsch-dänischen Grenze von West nach Ost durchzieht. Die Linie beginnt im Westen bei den Burgen Archsumburg (Sylt) und Trælbanken (nahe Hoyer), nutzt von Ost nach West fließende dänische Flüsse und endet beim Olgerdiget.

Damit ist der Olgerdiget ein Beleg für ein Sperrwerk zwischen germanischen Stämmen. Die weiter nördlich gelegenen Anlagen ÆVold und Træliget waren dienten ähnlichen Zwecken. Insgesamt wurden 28 Wallanlagen oder Sperrwerke in Dänemark gefunden, die meisten jedoch aus frühmittelalterlicher Zeit (vgl. HEGEWISCH 2012). Erstmalig gründlich untersucht und umfassend beschrieben wurde der Olgerdiget im Jahr 1982 (NEUMANN 1982).


Per ETHELBERG, Slesvig som grænseland i 1.-2. årh. e.Kr., in: Anne BLOND, Kim FURDAL, Carsten P. RASMUSSEN (Hg.): Forundringsparat. Festskrift til Inge Adriansen, Haderslev 2014, 247-268

Morten HEGEWISCH, Von Leese nach Kalkriese? Ein Deutungsversuch zur Geschichte zweier linearer Erdwerke, in: Ernst BALTRUSCH, Morten HEGEWISCH et alii (Hg.), 2000 Jahre Varusschlacht. Geschichte – Archäologie – Legenden (= Topoi. Berlin Studies of the  Ancient World 7), Berlin/Boston 2012, 177-212.

Hans NEUMANN, Olgerdiget – et bidrag til Danmarks tidligste historie, Haderslev 1982 (mit deutscher Zusammenfassung)

Liste der Feldzüge und Schlachten des Germanicus

Tiberius übernimmt 10 n. Chr. das Kommando am Rhein. Germanicus trifft im Jahr darauf ein und wird im Jahr 13 Nachfolger von Tiberius, der sich nach Rom begibt. Die Feldzüge und Schlachten des Germanicus beginnen mit dem Jahr 13 oder 14. Die wichtigsten Quellen sind die Bücher I und II der Annalen des Tacitus.

Jahr 13

Möglicherweise ein nicht überlieferter Feldzug (vgl. TIMPE 1968, S. 36)

Jahr 14

Frühjahr (Tac. Ann. I 51-52):

  • Marser-Feldzug: Vernichtungskrieg und Verwüstungen.
  • Rückmarsch-Gefecht: Kämpfe auf dem Rückmarsch gegen Brukterer, Tubanten und Usipeter.

Jahr 15

Frühjahr (Tac. Ann. I 56-57):

  • Chatten-Feldzug: Vorstoß und Vernichtungskrieg mit 4 Legionen gegen die Chatten; Zerstörung des Hauptortes Mattium.
  • Marser-Gefecht: Caecinas Vorstoß mit 4 Legionen gegen Cherusker und Marser, um den Chatten-Feldzug zu decken; siegreiches Gefecht gegen die Marser.
  • Segestes-Befreiung: Der von Arminius-Anhängern belagerte Segestes, der Schwiegervater des Arminius, bittet Germanicus um Hilfe; Befreiung nach kurzem Kampf gegen die Belagerer; Gefangennahme der schwangeren Thusnelda.

Sommer (Tac. Ann. I. 60-71)

  • Brukterer-Feldzug: Vernichtungskrieg mit 8 Legionen, vorgerückt auf drei verschiedenen Routen (Germanicus per Schiff über Ijsselmeeer, Nordsee und Ems), gegen die Brukterer; kleineres siegreiches Gefecht des Stertinius und Auffinden des Adlers der 19. Legion; Bestattung der Gefallenen der Varusschlacht.
  • Schlacht an der Weser(?): Unentschiedene (oder verlorene?) Schlacht gegen Arminius, vermutlich an der Weser.
  • Schlacht an den „langen Brücken“: Niederlage der vier Legionen des Caecina auf dem Rückmarsch an den „pontes longi“ gegen Arminius, jedoch Rettung des Heeres durch glücklichen Sieg im letzten Gefecht.
  • Springflut: Starke Gezeiten dezimieren zwei an der Küste marschierende Legionen des Vitellius.

Jahr 16

Frühjahr (Tac. Ann. II 5-7)

  • Einfall ins Chattenland: Silius fällt bei den Chatten ein und entführt Frau und Tochter des Fürsten Arpus.
  • Entsetzung Lippekastell: Marsch mit 6 Legionen zu einem belagerten Lippekastell und kampflose Entsetzung; Ausbau der Wege zwischen Rhein und Aliso.

Sommer (Tac. Ann. II 8-24)

  • Flottenoperation: Transport von 8 (evt. nur 2) Legionen auf 1.000 Schiffen zur Ems (Tacitus) oder – wahrscheinlicher – zur Weser. Erklärtes militärisches Ziel ist der Vorstoß des Heeres bis zu Elbe.
  • Strafexpedition gegen die Angrivarier: Stertinius bestraft einen Aufstand der Angrivarier „im Rücken“ des Heeres.
  • Bataver-Niederlage: Niederlage der batavischen Reiterei des Germanicus bei Minden im Vorfeld der Schlacht bei Idistaviso.
  • Schlacht von Idistaviso: Unklarer Schlachtausgang; die Römer behaupten jedoch das Feld gegen Arminius.
  • Laufende Angriffe: Germanische Truppen attackieren immer wieder die römische Marschkolonne.
  • Schlacht am Angrivarierwall: Unklarer Schlachtausgang; die Römer scheinen das Feld gegen Arminius behauptet zu haben, brechen jedoch den Feldzug ab.
  • Nordseestürme: der größere Teil des Heeres kehrt über See zurück; hohe Verluste durch Stürme.

Herbst (Tac. Ann. II 25)

  • Chatten-Feldzug: Silius zieht mit mindestens 3 Legionen ins Chattenland.
  • Marser-Feldzug: Mehr als 3 Legionen fallen bei den Marsern ein; möglicherweise Rückholung eines in der Varus-Schlacht verlorenen Legionsadlers.

Abberufung des Germanicus aus Germanien durch Tiberius.

___________

Literatur

TIMPE 1968: Dieter TIMPE, Der Triumph des Germanicus. Untersuchungen zu den Feldzügen der Jahre 14-16 n.Chr. in Germanien, Bonn 1968

 

Haltern: Keine Wiederbesetzung nach Varus?

Wurde das Römerlager Haltern nach der Varus-Katastrophe aufgegeben oder bis 16 n.Chr. weiter benutzt? Die Verbarrikadierungen an Süd- und Osttor oder die in einem Töpferofen verscharrten Gefallenen sprechen für eine Weiternutzung, doch für „den Nachweis einer Wiederbesetzung nach einer Zerstörung reichen die geringen Befunde keinesfalls aus“, so Siegmar von Schnurbein in einer aktuellen Untersuchung.

Siegmar von Schnurbein, Zum Ende von Haltern, in: Archäologisches Korrespondenzblatt, Bd. 44, Nr. 1 (2014)
http://dx.doi.org/10.11588/ak.2013.1.21810